Seit Mitte September 2019 wurden seitens der Internationalen Handelskammer (ICC) weltweit die neuen Incoterms® 2020 veröffentlicht. Die Bezeichnung 2020 kann den Eindruck erwecken, dass diese erst ab dem 01.01.2020 gültig geworden sind. Dem ist nicht so. Diese konnten auch schon vorher zwischen Parteien vereinbart werden, sofern diese das wünschen.
Sinn und Zweck der Incoterms ist es, den Internationalen Handel zu erleichtern und gewisse Standards festzulegen. Die Incoterms werden praktisch weltweit angewendet. Daher kommt ihnen eine hohe Relevanz im weltweiten Handel zu. Es ist das Ziel der Incoterms, Risiken bei der Vertragsgestaltung zu minimieren und damit teure und langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ziel der Verwendung der Incoterms ist es, Risiken bei der Vertragsgestaltung zu minimieren.
Kern der Incoterms ist es, bestimmte Pflichten der Vertragsparteien – also Käufer und Verkäufer – zu regeln. Die Incoterms begründen jedoch selbst keinen Vertrag. Vornehmlich regeln die Incoterms bestimmte Pflichten der Parteien wie etwa den Transport, den Abschluss einer bestimmten Versicherung, die Ausfuhr-/Einfuhrgenehmigungen oder auch bestimmte Benachrichtigungspflichten. Ebenfalls regeln die Incoterms die Kostentragung der verschiedenen Aufgaben. Von ganz erheblicher Bedeutung ist der Gefahrübergang, der ebenfalls durch die Incoterms geregelt wird. In dem Zusammenhang werden anhand der Incoterms Ort und Zeitpunkt der Lieferung festgelegt.
Abgesehen von dem Umstand, dass Incoterms selbst keinen Vertrag begründen, regeln diese auch nicht Fragestellungen wie etwa den Eigentumsübergang, die Verjährung, die Aufrechnung, Zahlungsweise oder die Wahl der Währung, höhere Gewalt und Rechte am geistigen Eigentum. Diesbezüglich muss das jeweilige anzuwenden Recht herangezogen werden. Die Incoterms regeln auch nicht den Gerichtsstand. Dieser kann jedoch durch die Incoterms mittelbar bestimmt werden, indem der Lieferort und damit auch der Erfüllungsort konkret festgelegt werden, sofern es keine explizite individuelle Gerichtsstandsvereinbarung gibt.
Entscheidend ist für die Vertragsparteien, dass sie die passende Incoterms zu ihrem Geschäft auswählen. So ist es beispielsweise nicht ratsam die Klauseln FOB bei Luftfracht zu verwenden. „On Bord“ bezieht sich nur auf den Schifftransport. Ebenfalls empfiehlt es sich die Klauseln „EXW“ und „DDP“ nicht für den grenzüberschreitenden Warenverkehr zu verwenden. Denn zum einen kann es Schwierigkeiten bei der Einfuhr-/Ausfuhrfreimachung geben und zum anderen können etwaige, nicht delegierbare außenwirtschaftlichen Regelungen im Wege stehen.
Die Incoterms® 2020 stellen eine Anpassung an eine sich weiterentwickelte Handelspraxis dar. Vor allem aber ist die Gestaltung derselben erheblich nutzerfreundlicher als die bisherigen Versionen. Es gibt neben der ausführlichen, einführenden Erläuterung zu jeder einzelnen Incoterms konkrete Anwendungshinweise und Kommentierungen, die die Handhabung erleichtern. Die Beachtung dieser Anwendungshinweise und Kommentierungen empfiehlt sich auch vor dem Hintergrund, dass auch zu erwarten ist, dass Gerichte ebenfalls Bezug darauf nehmen werden.
Was ist neu in den Incoterms® 2020?
Neben der zu vor genannten ausführlichen Erläuterungen und der verbesserten Nutzerfreundlichkeit der Incoterms® 2020 wurden beispielsweise die A/B-Regeln (A beinhaltet die Verpflichtungen des Verkäufers und B die Verpflichtungen des Käufers) neu geordnet. A1/B1 benennen die Allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien. Neu ist hier die explizite Erwähnung der elektronischen Kommunikation. A2/B2 regeln die Lieferung/Übernahme, A3/B3 Gefahrübergang und A4/B4 Transport. Diese drei Regeln sind die relevantesten, denn der Dreh- und Angelpunkt ist grds. der Gefahrübergang, der sich aus der Lieferung ergibt. Bis zur Lieferung trägt danach der Verkäufer die Gefahr für den Beschädigung oder Untergang der Ware und ab der Lieferung der Käufer. A5/B5 regeln die Versicherung, A6/B6 die Lieferung-/Transportdokument, A7/B7 die Ausfuhr-/Einfuhrabfertigung, A8/B8 die Prüfung/Verpackung/Kennzeichnung, A9/B9 die Kostenverteilung und A10/B10 die Benachrichtigungen.
Neu ist auch die „horizontale“ Darstellung in den Incoterms® 2020 (ab S. 143 der Incoterms 2020), in der sämtliche Auslegungsregeln nebeneinander angeordnet werden, sodass die Verwender die Unterschiede der einzelnen Incoterms in Bezug auf die einzelnen Aufgaben oder Kosten einfach erkennen kann.
Bemerkenswert ist die Ergänzung in der Klausel FCA in Bezug auf die Regel B6, dass danach nunmehr auch ein Konnossement mit „An-Bord“-Vermerk möglich ist. Diese Option kann z. B. im Zusammenhang mit einem Akkreditiv in Frage kommen. Der Käufer und der Verkäufer können danach vereinbaren, dass der Käufer seinen Frachtführer – welcher explizit kein Reeder sein muss – anweisen soll, dem Verkäufer nach Verladung der Waren ein On-Bord-Konnossement (Bill of Lading) auszustellen. Der Verkäufer hat dieses Konnossement anschließend dem Käufer zu übergeben. Es spricht allerdings auch nichts dagegen, wenn nur ein Übernahme-Konnossement vereinbart wird, sofern das mit den Regelungen des Akkreditivs im Einklang steht. Die Regel B6 ist eben eine Option, keine Pflicht.
Neu ist auch die Option die Beförderung der Waren zu „organisieren“. Danach kann der Verkäufer oder der Käufer einen Beförderungsvertrag abschließen, aber den Transport auch so organisieren, dass er einen firmeneigenen Frachtführer mit dem eigenen Transportmittel verwendet. Dies betrifft die Klauseln, FCA, DAP, DPU und DDP.
Die Klausel DAT Incoterms 2010 – geliefert Terminal – wird nunmehr zu der Klausel DPU Incoterms® 2020 – geliefert benannter Ort entladen – abgewandelt. Damit wird zum einen kein „Terminal“ mehr vorausgesetzt und zum anderen obliegt hier die Verpflichtung des „Entladens“ dem Verkäufer. Die Lieferung ist danach also erst erfolgt, wenn auch am benannten Ort entladen wurde.
Außerdem wurden in den Incoterms® 2020 Klauseln Regeln zur Verteilung der Sicherheitsanforderungen bei der Beförderung von Waren und der damit verbundenen Kosten. Diese finden sich in der Regel A4.
In den Incoterms CIF und CIP werden mit den Incoterms® 2020 unterschiedliche Deckungshöhen der Versicherungen festgelegt. Während bei der CIF Klausel die bisherige Regelung erhalten bleibt und somit die Klausel (C) der Institute Cargo Clauses gilt, soll nunmehr in der CIP Klausel die Klausel (A) der Institute Cargo Clauses – also ein deutlich höherwertiger Versicherungsschutz – standardmäßig als vereinbart gelten.
Die Kostentragung ist in den einzelnen Incoterms® 2020 in der Regel A9/B9 aufgeführt. Damit haben die Vertragsparteien jetzt einen schnellen Überblick über die sie jeweils treffenden Kosten.
Ansonsten gilt die folgende Einordnung der Incoterms® 2020:
- Klauseln für alle Transportarten: EXW, FCA, CPT, CIP, DAP, DPU, DDP
- Klauseln für den See- und Binnenschiffstransport: FAS, FOB, CFR, CIF
Bezug zum UN-Kaufrecht
Das UN-Kaufrecht und die Incoterms harmonieren miteinander und sind besser aufeinander abgestimmt als das deutsche Zivilrecht (BGB/HGB) in Bezug auf die Incoterms. Daher ist es im Fall eines grenzüberschreitenden Warenverkehrs sinnvoll, das UN-Kaufrecht anzuwenden. Der Gefahrübergang – wie oben erwähnt einer der wesentlichen Regelungsinhalte der Incoterms – findet sowohl bei den Incoterms als auch bei dem UN-Kaufrecht grds. unabhängig von dem Eigentumsübergang statt. Nach dem BGB steht die Besitzverschaffung der Ware im Vordergrund bzgl. des Eigentumsübergangs. Nach dem deutschen Zivilrecht findet daher grds. der Gefahrübertragung erst mit der Eigentumsübertragung statt, also wenn die Ware an den Käufer übergeben wurde.
Dieser deutsche „Sonderweg“ harmoniert also weder mit dem UN-Kaufrecht noch mit den Incoterms und auch nicht mit nahezu allen anderen Rechtsordnungen weltweit. Im Hinblick auf den Eigentumsübergang gilt weltweit grds. das Recht der belegenen Sache – also nach dem römischen Rechtsgrundsatz „lex rei sitae“. Über den Eigentumsübergang im Kaufrecht entscheidet danach das Recht des jeweiligen Staates, in dem sich die Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet.
Für den Verkäufer und den Käufer ist aber vor allem entscheidend, wo und wann der Gefahrenübergang stattfindet. Dafür finden die Incoterms und auch das UN-Kaufrecht die passenden Antworten.
Wirksame Einbeziehung der Incoterms in Verträge
Besonders wichtig ist natürlich eine wirksame Einbeziehung der Incoterms in den Vertrag. Es wird davon abgeraten, die Incoterms in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufzunehmen. Denn zum einen kann es je nach Geschäft sinnvoll sein, abweichende Incoterms zu verwenden, was die in den AGB aufgeführte Incoterms dann überflüssig machen würde und zum anderen droht die Gefahr, dass AGB deswegen nicht wirksam einbezogen werden, weil sich die AGB der Vertragsparteien widersprechen, wodurch sich diese gegenseitig aufheben bzw. unwirksam werden können.
Es empfiehlt sich also die gewünschte Incoterms in dem individuell ausgehandelten Hautvertrag mit aufzunehmen. Am Beispiel FCA kann eine Incoterms dann beispielsweise so verwendet werden:
FCA (PLZ) Musterstadt, Musterstraße 1 Incoterms 2020
Es ist dabei von herausragender Bedeutung, dass der benannte Lieferort so exakt wie möglich angeben wird. Ggf. macht es sogar Sinn, die genaue Stelle zu benennen, z. B. im Fall von Incoterms bzgl. des Schifftransport den konkreten Kai, an dem das betreffende Schiff anlegen wird. Sollte bei Vertragsschluss die Anlegestelle des Schiffs noch nicht bekannt sein, so hat der Vertragspartner, der den Transport organisiert, den anderen Vertragspartner grds. über die betreffende Stelle rechtzeitig zu informieren.
Im Fall der C Klauseln ist nicht der Lieferort, sondern der Bestimmungsort anzugeben. Dennoch empfiehlt es sich, auch den Lieferort in dem Vertrag mit anzugeben, damit die Parteien so den Gefahrenübergang konkret festlegen können.
Die entsprechende Jahreszahl der gewünschten Incoterms sollte auch aufgeführt werden. Wenn keine Jahreszahl am Ende aufgeführt wird, können Missverständnisse entstehen.
Fazit
Die Incoterms® 2020 stellen eine erheblich nutzerfreundlichere Version gegenüber den Vorgängerversionen der Incoterms dar. Sie wurden den aktuellen Erfordernissen des internationalen Handels angepasst. Es ist zudem sehr sinnvoll und ratsam die Incoterms im Fall von grenzüberschreitendem Warenverkehr im Zusammenhang mit dem UN-Kaufrecht zu verwenden. Es empfiehlt sich zudem stets, einen anwaltlichen Experten für die Vertragsgestaltung im internationalen Handelsrecht zu konsultieren.